Sie nimmt über 100 Kilogramm ab und beginnt erst richtig zu leben

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Telma Antunes (36) wog vor vier Jahren über 200 Kilogramm. Sie wurde im Spital Limmattal operiert und verlor seither über 100 Kilogramm. Damit sei ihr Leben komplett umgekrempelt worden, sagt sie. 

Dieser Artikel erschien am 18.11.2023 in der „Limmattaler Zeitung“.

Telma Antunes hat nach einer Operation im Limmi in Schlieren stark abgenommen.

Bild: Lydia Lippuner

Die 36-jährige Regensdorferin kommt mit zügigem Schritt zur Tür herein. Sie trägt eine modische Daunenjacke und rückt mit dem Stuhl nahe an den Tisch. Was unspektakulär tönt, wäre vor vier Jahren noch kaum möglich gewesen. «Es war kein Leben», sagt Telma Antunes beim Treffen im Spital Limmattal. Weder ein Einkauf in einem handelsüblichen Modegeschäft  noch ein Spaziergang ohne häufige Verschnaufpausen waren möglich.

Zwischen damals und heute liegt eine Gewichtsabnahme von 100 Kilogramm. 2019 wog Antunes 201 Kilogramm, heute 97. Doch was sich in Zahlen leicht ausdrücken lässt, ist eine lange Leidensgeschichte. Begonnen habe alles vor 19 Jahren. Damals zog Antunes mit ihren Eltern aus Portugal in die Schweiz. Richtig warm geworden sei sie aber nie mit ihrer neuen Heimat. So blieb sie oft zu Hause. Und wenn sie niedergeschlagen gewesen sei, habe sie sich mit Essen getröstet.

So sei ihr Gewicht Kilo um Kilo gestiegen. Die Kommentare der Passanten, der Nachbarn und der Bekannten habe sie dabei bestmöglich ausgeblendet. Die abschätzigen Blicke aber könne man nicht übersehen. «Ich sah in ihren Augen, was sie denken», sagt sie. «Fettsack» habe man sie genannt.

Auch körperlich litt sie unter ihrem Gewicht. Sie konnte kaum mehr gehen, ein Gang aus dem Haus sei der Horror gewesen. Sie verlor fast den Mut, und wenn sie es dann doch aus dem Haus schaffte, musste sie ständig anhalten, um Atem zu holen. Zudem erkrankte sie an Schlaf-Apnoe, einer nächtlichen Atemstörung: «Mein damaliger Freund machte sich Sorgen, weil ich in der Nacht teilweise länger nicht mehr atmete», sagt sie. Nach einer solchen Nacht sei sie am nächsten Morgen jeweils erschöpft und müde aufgewacht.

Die viele Diäten enden im Frust

Antunes kämpfte gegen die ständig steigenden Pfunde. Es gibt wohl kaum eine Diät, die sie nicht kennt. «Protein-Diät», «Intervallfasten», «Shakes», Antunes zählt sie an ihren Fingern ab. Sie habe alles ausprobiert. Ohne Erfolg. «Ich nahm zwei Kilo ab und bald wieder das Doppelte zu», sagt sie. Es sei ein Frust gewesen.

So habe sie immer weiter zugenommen. «Ich wollte nicht zugeben, dass es mir nicht gut geht, dass ich ein Problem habe», sagt sie. Diese Schwäche habe sie sich nicht leisten können. Auch auf besorgte Nachfragen habe sie immer gesagt, dass alles in Ordnung sei. Das tat sie, bis ihr alles zu viel wurde. Antunes erinnert sich noch genau an den Tag im September 2019. Als sie auf die Waage stieg, zeigte diese 201 Kilogramm an. Und als sie das sah, bekam sie eine Panikattacke.

Telma Antunes (36) wog vor vier Jahren über 200 Kilo
Telma Antunes hat nach einer Operation im Limmi in Schlieren stark abgenommen.

Nach der Operation habe ihr Leben erst wirklich begonnen. «Ich kann das gar nicht vergleichen», sagt Antunes.

So habe sie dann einen Termin bei einem Spezialisten für Übergewicht abgemacht, Thomas Köstler, Leiter des Adipositaszentrums am Spital Limmattal. Sie habe ihn bereits seit Jahren gekannt, denn ihre Mutter und ihr Vater seien schon wegen Übergewicht von ihm operiert worden. Antunes ging damals zu den Arztterminen ihrer Eltern mit, um zu übersetzen. «In der Theorie kannte ich das ganze Prozedere bereits, doch in der Praxis war es mir noch fern», sagt sie über die Therapie, die ihr bevorstand. Das sollte sich jedoch nach dem Termin beim Chirurgen ändern. «Er sah, dass meine Situation schlimm war – wenige Tage später wurde ich operiert.»

Die Operation habe ihr keine Beschwerden verursacht, sagt sie. «Ich hatte keine Schmerzen, einfach nichts.» Der Effekt der Massnahme habe sich aber sofort bemerkbar gemacht. Bei der Schlauchmagen-Operation hatte Köstler Antunes einen Teil ihres Magens entfernt, sodass nur ein schlauchförmiger Teil davon übrig blieb. Die Folge: Antunes kann seither nur noch kleine Portionen essen. «Von einer ganzen Pizza esse ich nun ein Stück», sagt sie. Und so sank ihr Gewicht rasch. Das merkte Antunes nicht nur an der Kleidergrösse. Diese schrumpfte von 4XL auf nun 0XL. Auch die körperlichen Beschwerden der Schlaf-Apnoe lösten sich in Luft auf.

Heute geht sie statt nicht mehr 1000, sondern 12’000 Schritte

Der Rest ist schnell erzählt. Nach der Operation habe ihr Leben erst wirklich begonnen, sagt Antunes. «Ich kann das gar nicht vergleichen», sagt sie. Statt wie früher maximal 1000 gehe sie heute täglich bis zu 12’000 Schritte. Tage zu Hause wurden zur Seltenheit: «Ich bin nun richtig traurig, wenn ich an einem Tag nicht rausgehen kann», sagt sie. Sie trennte sich von ihrem damaligen Freund und hat nun eine neue Beziehung. Zudem könne sie wieder reisen. Vor wenigen Tagen reiste sie mit ihrem Freund von Portugal zurück in die Schweiz.

«Zum ersten Mal konnte ich den Gürtel nicht nur schliessen, sondern auch anziehen», sagt sie. Es habe sich super angefühlt. Sie habe keine Gürtelverlängerung gebraucht. Anfang dieses Jahres habe sie einen weiteren Eingriff machen lassen. Köstler erstellte einen Magenbypass. Nach dieser Operation habe sie innerhalb von gut einem halben Jahr nochmals 30 Kilogramm abgenommen. Sogar ihre Freunde erkennen sie nun kaum wieder. Und wenn sie Fotos von früher sieht, frage sie sich: Wer ist diese Person auf dem Foto? Und wer ist sie denn heute? Antunes antwortet: «Ich muss mich noch finden.» Sie scrollt durch die Fotos auf ihrem Handy. Sie erzählt von einem Traum: wieder nach Portugal gehen und Fotografin werden.

 Dieser Artikel erschien am 18.11.2023 in der „Limmattaler Zeitung“.  Dieser Artikel erschien am 18.11.2023 in der „Limmattaler Zeitung“.

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