Meister der Überraschungen: Julian Zigerli

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Ausgefallene Modeshows und knallige Designs sind sein Ding. Nun eröffnete der Zürcher Modedesigner Julian Zigerli seinen ersten Laden im Niederdorf. Der Modeschöpfer bleibt trotz seiner ausgefallen Ideen fassbar und unbeschwert. Tsüri.ch hat ihn getroffen und mit ihm auch über seine überraschende Modeshow gesprochen.

Text: Lydia Lippuner/Fotos: Laura Kaufmann (Tsüri.ch)

Nackte Füsse stecken in einem ausgehöhlten Brotlaib. Die nächsten Füsse rutschen in aufgeschnittenen Pet-Flaschen über den Boden. Es ist keine 0815-Modeshow, wenn Julian Zigerli seine neue Kollektion präsentiert. Dies tat er im März 2018 mit der Vernissage «Threesome» in Zürich. Der eindeutig mehrdeutige Titel steht für die drei Künstler, die gemeinsam ausstellen: Manon Wertenbroek, Christopher Füllemann und Julian Zigerli. Es ist ein künstlerisches Zusammenspiel aus Fotografie, Skulptur und Mode. Besucher*innen betreten den Raum, betrachten die Models, die mit den Bildern zu verschmelzen scheinen, und knipsen mit ihren Handys Fotos von seidenen Blusen, gepunkteten Hosen und den bunt bedruckten Pullovern.

Ein Model an der «Threesome» Vernissage: Nackte Füsse stecken in einem ausgehöhlten Brotlaib. (Bild: Michael Dellefant)

In der Mitte steht Zigerli. Er trägt einen silbernen Mantel – «extra für Vernissagen designt» – Schuhe mit Leo-Print und seine Haare jungenhaft zerzaust. Mit gerade mal 34 Jahren steht er an einem Ort, von dem viele junge Künstler*innen träumen. Er hat seit sieben Jahren ein eigenes Label und war der erste Schweizer Modeschöpfer, der seine Designs an der «Milan Fashion Week» zeigen durfte. Seit einigen Wochen hat Julian nun einen Laden im Stadtzentrum Zürichs.

Unkonventioneller Werbespruch für ein Modelabel

Dort im Niederdorf steht ein Holzschild mit der Aufschrift: «No shirt, no shoes, no pants, no problem», darüber ein Herz und der Name Julian Zigerli. Das ist der Wegweiser in Julians Welt.

Das Schild weist den Weg in Zigerli’s Ladenlokal.

Der Slogan ist Vorbote der lebendigen, unbeschwerten Designs, die die Kund*innen im Inneren des Ladens erwarten: luftige Blusen, verspielte Prints und farbenfrohe Jacken. Wenn er eine Lieblingsfarbe preisgeben müsste, was er eher ungern tut, würde er «Bubble-Gum-Pink» sagen; so wie der glänzende Kopfschmuck, der in einem Korb zum Verkauf ausgestellt ist.

In seinen Studienjahren an der Hochschule der Künste in Berlin benutzte er nie schwarz für seine Designs. Er wollte so einen Kontrast setzen gegen die Eintönigkeit. Mittlerweile trifft man hin und wieder ein schwarzes Kleidungsstück in seiner Kollektion an. Nichtsdestotrotz greift er auch heute lieber zu einer Farbe oder einem selbstkreierten Muster. «Unbeschwert und fassbar, so würden mich wohl auch meine Freund*innen bezeichnen», sagt Julian. Wobei das mit der Unbeschwertheit sei früher noch stärker gewesen. Die Zahlen scheinen ihn ein wenig zu bedrücken. Das Administrative sei einfach nicht so sein Ding. «Excel kann ich nicht», sagt er und lacht kurz auf. Doch ein eigener Laden bedeutet auch einen Haufen Verantwortung und Organisation. Besonders jetzt, wo zu seinem Label drei fixe Mitarbeiter*innen und noch zwei bis drei Praktikant*innen gehören. «Wir haben immer noch keinen so grossen Gewinn, dass wir ordentliche Löhne zahlen können. Wir sind immer noch im Aufbau.» Das in einer schnell wandelnden Branche, in der halbjährlich 40-50 neue Kleidungsstücke erwartet werden. Es bleibt nicht viel Zeit, um ans Aufgeben zu denken. Jede Jahreszeit verlangt nach neuen Kleidern und diese will Julian Zigerli nun direkt an den Mann oder die Frau bringen. Dafür steht er zwei Tage pro Woche im Laden und nimmt so die Feedbacks der Kund*innen gleich selbst entgegen.

Zigerli greift am liebsten zu einer Farbe oder einem selbstkreierten Muster.

Der sichere Hafen im Haifischbecken

«Das Business ist ein Haifischbecken, dazu braucht man ein gutes Umfeld», sagt Julian. Dieses bietet ihm, nebst seinem Freund in Berlin, seine Familie hier in der Nähe. Sie unterstützten ihn von Anfang an. Seine Mutter steht heute sogar hin und wieder hinter der Theke. «Es ist also quasi ein Familienunternehmen.»

Julian wuchs mit einem Bruder und einer Schwester in Uster auf. Er ist zur Hälfte Italiener, zu einem Viertel Schweizer und einem Viertel Deutscher. Als Kind wollte er Artist im Zirkus werden, doch bald schon wusste er, dass er etwas schöpferisches machen wollte. Im Teenageralter entdeckte er sein Flair für Mode. Wenn in seiner Schulzeit alle dieselben Turnschuhe anhatten, suchte sich Julian ein anderes Modell: «Die mit den dicken Sohlen, ich suchte immer das etwas andere.» Nach der Designausbildung und einem Praktikum war er sich sicher. Er wollte Modedesign studieren. So zog er mit 20 Jahren nach Berlin. Dort begann er an der Hochschule der Künste zu studieren. Nach den Studienjahren wollte er zurück in die Schweiz. Der Markt in Berlin schien ihm zu übersättigt.

Zigerli in einem unkonvetionellen Licht: Er suchte schon immer das etwas andere.

Die Ideen kommen beim Fliegen, beim Aufwachen oder bei einem Kater

Auch wenn sich Julian bewusst für die Schweiz entschieden hat, ist er oft auf Achse. Dieses Jahr hat er schon in Berlin und Paris ausgestellt. Das Reisen hat, nebst den geschäftlichen Aspekten, auch einen anderen positiven Effekt: «Im Flugzeug habe ich oft gute Ideen, weil man dort so abgeschottet ist.» Auch beim Einschlafen, beim Aufwachen oder während einem Kater kommen ihm Ideen für die nächste Kollektion. Seine kreative Seite ist immer wach. Ihm eine einzige Muse zuzuordnen, wäre wohl zu kurz gegriffen. Als wolle man einen ganzen Schwarm Schmetterlinge anhand eines einzelnen Falters beschreiben. Wenn er vom schönsten Erlebnis in den letzten Jahren erzählen soll, dann erzählt er auch nicht von der Fashion Week in Milano, sondern von der Modeshow im Werkheim in Uster.

Er veranstaltete damals gemeinsam mit Christa de Carouge, Mode Suisse und der Stiftung Werkheim Uster für Menschen mit Behinderung eine Show. «Meine Schwester ist behindert, sie lief für mich. Es war wunderschön. Jedes Mal beim Rauskommen klatschten alle.» Schaut man das Video an, kann man die Stimmung der Teilnehmer förmlich spüren. Stolz tragen sie das Label zur Schau. Das Ganze wirkt ungekünstelt und lebendig.

Überraschende Modeshows und farbige Kollektionen: Das ist Zigerlis Welt. Nun versucht er sich als Ladenbesitzer. Wie dieses Abenteuer gelingt, wird sich zeigen. Kundennähe und eine Portion Unbeschwertheit werden ihm dabei bestimmt hilfreich sein.

Der Julian Zigerli «Flagship Store» findest du am Rindermarkt 14 im Niederdörfli.

Dieser Beitrag erschien am 28. März bei Tsüri.ch.

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