Seit knapp einem Jahr befindet sich das Zürcher Charter des internationalen Motorradclubs in Dietikon. Die Rocker bemühen sich um ein sauberes Image.

Das Clublokal der berüchtigten Rockergruppe Hells Angels befindet sich seit einem Jahr in der Dietiker Silbern.
Dieser Artikel erschien am 22.05.2024 in der Limmattaler Zeitung.
Lydia Lippuner und Lukas Elser
Wo sich einst Büroräumlichkeiten befanden, trifft man nun auf ein Clublokal mit verriegelter Türe und vergitterten Fenstern. Über dem Eingang zum Haus an der Silbernstrasse 8 thront ein Totenkopf mit Engelsflügeln. Er deutet auf die neuen Mieter des Lokals hin, die Hells Angels. Die Rocker nutzen das in typisch amerikanischem Stil gehaltene Lokal seit 2023 für ihre Partys und Vereinstreffen. Sie haben das Lokal vor längerem umgebaut. Das Baugesuch dafür ist aber erst jetzt gestellt worden.
Auf dem nachträglichen Gesuch, das noch bis am 23. Mai bei der Dietiker Stadtverwaltung aufliegt, sieht man, was die Hells Angels brauchen, um sich in ihrem neuen Lokal wohlzufühlen. Anstelle eines Büros haben sie im Lokal in der Silbern eine Stube, einen Aufenthaltsraum sowie eine Teeküche und eine Bar mit einem Kühlschrank voll mit Bier errichtet. Der Umbau des rund 360 Quadratmeter grossen Clublokals kostete die Rocker rund 20’000 Franken. Die Rocker haben auch neue Parkmöglichkeiten ums Haus geschaffen. Zusätzlich zu den neun Autoparkplätzen gibt es neu zwölf Töffparkplätze, diese werden wohl typischerweise mit Harleys besetzt sein.

Das Lokal diene als Treffpunkt der Mitglieder des internationalen Motorradclubs, ist dem Baugesuch zu entnehmen. Und weiter: «Die Nutzung ist rein privat. Zutritt haben nur Mitglieder des Clubs.» Eingeladen seien nur Clubmitglieder. Die Ruheräume dienten internationalen Gästen, die sich auf der Durchreise befänden. Das Haus werde lediglich viermal im Jahr für Familien und Freunde geöffnet. Dann gebe es einen Anlass für Mitglieder der Hells Angels, deren Familien, Freunde, aber auch für andere Motorradclubs. Auf der Instagram-Seite des Clubs werden in regelmässigen Abständen Events angekündigt.
Hells Angels gelten als Platzhirsche unter den Rockergangs
Die Hells Angels geben sich so bedeckt wie möglich. Nachfragen per Mail führen ins Leere. Auch im Clubhaus in der Silbern hält man sich wortkarg. Man habe keine guten Erfahrungen mit Medien gemacht, geben die Motorradfahrer den Besuchenden zu verstehen. Den Hells Angels haftet der Vorwurf an, eine kriminelle Organisation zu sein, die sich insbesondere im Drogen- und Rotlichtmilieu einen Namen gemacht hat. Die Hells Angels gelten in der Schweiz als Platzhirsche unter den Rockergangs.
In den Niederlanden ist der Rockerclub beispielsweise seit 2019 verboten. In der Schweiz nicht. Wie ein deutscher Experte vor zwei Jahren gegenüber CH Media sagte, ist es schwierig, den Nachweis zu erbringen, dass es sich bei den Hells Angels um eine kriminelle Organisation handelt. Jörg Albrecht, Auswertungschef der Inspektion Organisierte Kriminalität des Landeskriminalamts Baden-Württemberg, sagte aber auch, dass das Zürcher Charter, so werden die Ortsgruppen genannt, von internationaler Bedeutung sei. «Es ist eines der herausragenden Charters in ganz Europa und spielt international eine bedeutende Rolle. In unseren Ermittlungen finden wir immer wieder Mosaiksteinchen, die Richtung Zürich zeigen.»
Die kriminellen Aktivitäten der Hells Angels bewegten sich unter anderem im Gebiet des Rauschgifthandels und der Prostitution. Auch wenn man vieles nicht belegen könne, so sagte Albrecht doch: «Das durchschnittliche Mitglied der Hells Angels ist sicher krimineller als das durchschnittliche Mitglied der Bevölkerung.»
Die Zürcher Ortsgruppe ist das älteste Schweizer Charter. Seit 1970 befinden sich die Rocker in der Region. Von der Zürcher Langstrasse verlegten sie ihren Sitz vor ungefähr 15 Jahren nach Neuaffoltern und letztes Jahr nach Dietikon.
Die Hells zahlen die Miete und verhalten sich ruhig
Hört man sich in der unmittelbaren Nachbarschaft um, sind die Rückmeldungen zu den berüchtigten Zuzügern durchwegs positiv. Ein Nachbar sagt, die Hells seien bis jetzt nicht aufgefallen, sie verhielten sich ruhig. Der Vermieter sagt auf Anfrage: Die Hells kämen ihren Verpflichtungen nach, sprich die Mieten würden bezahlt. Es habe auch noch keine anderen Klagen gegenüber der bekannten Rockergruppe erhalten.
Die Hells Angels scheinen darauf bedacht, den Ball im Industriegebiet flach zu halten. Sowohl mit der Stadtpolizei Dietikon als auch der Kantonspolizei Zürich pflegten sie einen regelmässigen Austausch. «Wir sind im Kontakt mit den Hells Angels», sagt der Dietiker Polizeichef Marco Bisa auf Anfrage der Limmattaler Zeitung. Wenn die Motorradfahrer in ihrem Lokal einen grösseren Anlass veranstalten, meldeten sie diesen der Polizei, sagt er. «Während der Anlässe fahren wir einmal mehr beim Lokal vorbei», sagt Bisa. Er betont aber, dass solche Patrouillen nicht aussergewöhnlich seien. Man patrouilliere bei allen grösseren Anlässen in der Stadt. Solche Kontrollfahrten sollen gemäss Bisa auch das Sicherheitsgefühl der Veranstalter erhöhen.
Polizei erhielt keine Klage wegen Ruhestörung
Gemäss Stadtpolizei sind die Rocker seit ihrem Zuzug bisher nicht negativ aufgefallen. Das Einzige, was man bemerkt habe, sei, dass es während der Partys im Hells-Lokal in der Silbern zu mehr Verkehr gekommen sei. Und dass hin und wieder ein Fahrzeug falsch parkiert habe. Darüber hinaus sei aber alles ordentlich abgelaufen. «Wir erhielten nicht einmal eine Klage wegen Ruhestörung», sagt Bisa. Deshalb sehe die Polizei keinen Grund, das Lokal der Hells Angels anders als andere Vereinslokale zu behandeln.
Obwohl sich die Hells Angels rund um ihre Vereinslokale betont ruhig geben, sorgen sie auch in der Schweiz immer wieder für Schlagzeilen. So muss sich derzeit rund 80 Kilometer vom Dietiker Vereinslokal entfernt, ein ehemaliges Mitglied der Hells Angels vor dem Basler Strafgericht verantworten. Im Prozess geht es unter anderem um Kindesmissbrauch, Urkundenfälschung und Bestechung von zwei Gefängnisaufsehern. Der Fall zeigt auch, dass die Hells Angels über Verbindungen bis zu Sicherheitsfachkräften und in die Polizei verfügen.
Bauvorhaben ohne Gesuch
Die Hells Angels haben die Dietiker Verwaltung positiv überrascht. Der Fauxpas des verspäteten Baugesuchs gehe in diesem Falle zulasten des Vermieters, sagt der Dietiker Bausekretär Beat Frischknecht. Denn der Vermieter habe dem Motorradclub die Räumlichkeiten an der Silbernstrasse 8 als Vereinslokal statt als Büroräumlichkeit vermietet. Beim Einkaufen in der Silbern habe er zufälligerweise gesehen, dass dort umgebaut wird, sagt Frischknecht. Daraufhin habe er sich bei den Hells gemeldet. «Sie sind unverzüglich erschienen und machten einen sehr anständigen Eindruck», sagt er. So hätten sie über der Motorradkutte sogar eine schwarze Jacke getragen. Am Ende stellten die Hells Angels das Baugesuch, das eigentlich ihr Vermieter hätte stellen müssen. «Sie zeigten klar, dass sie keine Unannehmlichkeiten wollen und sich nichts zuschulden lassen kommen wollen», sagt Frischknecht.
Es sei auch keine Seltenheit, dass ein Baugesuch nachträglich gestellt werde. «Das geschieht etwa einmal im Monat», sagt Frischknecht. Es komme oft vor, dass den Leuten nicht bewusst sei, welche Bauten eine Bewilligung brauchten und dass sich dann die Nachbarn bei der Stadt meldeten. Manchmal laufe auch ein Mitarbeiter des Bauamts an eine unbewilligte Baustelle, so wie in diesem Fall. «Wir sind zwar keine Polizei, aber wir gehen mit offenen Augen durch die Stadt und fragen nach, wenn wir etwas sehen», sagt Frischknecht. Wenn man beispielsweise eine Mauer verschiebe, brauche dies bereits eine Bewilligung. Dagegen dürfe man ohne Bewilligung ein Bad oder eine Küche ersetzen.
Auch wenn Frischknecht Verständnis für versäumte Baugesuche hat, so betont er doch, dass ein solches Verhalten Konsequenzen für die Bauherren nach sich ziehe. Wer eine Bewilligung einzuholen vergisst, muss für die Gebühren der Bauinspektion aufkommen. Zudem erhält die Bauherrschaft eine Ermahnung und im Wiederholungsfall eine Busse. Es sei also günstiger, zuvor abzuklären, ob man eine Baubewilligung brauche, sagt Frischknecht. Zudem gibt der Bausekretär zu bedenken, dass man im schlimmsten Fall gar den fertiggestellten Umbau rückgängig machen müsse. Zum Beispiel, wenn ein Bau nicht den materiellen Vorgaben entspreche. Etwa bei einem zu hohen Gebäude. Aber auch wenn ein Rekurs gegen die nachträglich erteilte Baubewilligung aus der Nachbarschaft vom Baurekursgericht gutgeheissen wird. Das Baugesuch der Hells Angels entspreche gemäss den bereits vorgeprüften Unterlagen den materiellen Vorgaben. (lyl)
Dieser Artikel erschien am 22.05.2024 in der Limmattaler Zeitung.