Alexander Nedbei boxt zehnmal in der Woche im Schlieremer Ringclub. Sein Ziel ist es, ganz nach oben zu kommen. Dafür kämpft er dieses Wochenende in Deutschland.
Text: Lydia Lippuner, Foto: Claudio Thoma
Bevor man ihn sieht, kann man ihn hören. Mit jedem Schlag, den Alexander Nedbei in die Luft stösst, entfährt seiner Lunge mit dem Ausatmen ein Schrei. Sein Oberkiefer ist angespannt, das weisse T-Shirt ist durchgeschwitzt und klebt an seinem Oberkörper. Seine Füsse in den leichten Turnschuhen tänzeln rastlos über die weiche Matte des Boxrings.
Der Schlieremer Ringverein bietet ein optimales Trainingsumfeld für den in Oberengstringen wohnhaften Deutschen. Er hat bereits sechs Profikämpfe hinter sich. Um in Zukunft wirklich bei den grossen Boxern mitzuhalten, trainiert Nedbei zehnmal in der Woche im Ring.
«Dieses Jahr lief es sehr gut für mich», sagt er. An diesem Wochenende wird er in Büdingen-Vonhausen gegen einen Konkurrenten auf der Matte stehen. Noch immer boxt er für sein Heimatland Deutschland. «Das habe ich so beibehalten», sagt er. Nedbei begann mit 18 Jahren mit Boxen. Das sei verhältnismässig spät gewesen, doch es habe ihn einfach gepackt und die Faszination hat ihn bis heute nicht mehr losgelassen.
Das Boxtraining fand in den letzten Jahren grossen Zuwachs in der Schweiz, sagt Peter Stucki, Präsident der Berufsboxkommission. Doch bei den Interessierten für die Wettkämpfe habe es keine Zunahme gegeben: «Box-Ernstkämpfe sind hart, anforderungs- und entbehrungsreich», sagt er.
Zur Zeit gibt es in der Schweiz 25 registrierte Profiboxer. Nedbei nicht eingerechnet, da er noch für Deutschland kämpft. Stucki aber befürwortet es, dass sich die Boxer am selben Ort registrieren, an dem sie auch wohnen: «Einige der bei uns neu lizenzierten Profis waren als in der Schweiz wohnhafte Sportler bei dubiosen deutschen Boxverbänden lizenziert. Dann merkten sie, dass sie nur weiterkommen, wenn sie sich an die internationalen Regeln halten und mit den etablierten und erfahrenen Verbänden zusammenarbeiten», sagt Stucki.
Bodyguard und Personaltrainer
Um sich gegen seine Konkurrenten durchzusetzen, verzichtet Nedbei auf vieles: Ausgang, Alkohol oder ungesundes Essen sind längst aus seinem Leben verschwunden. «Doch davon hatte ich früher genug. Ich vermisse nichts», sagt der 31-Jährige.
Er hat keine Kinder, ist ledig und seine Familie lebt in Deutschland. So kann er sich hier ganz auf seinen Sport fokussieren. Ein Leben, das aber auch Abwechslung mit sich bringt: So kann er beispielsweise immer wieder reisen. «Dank dem Sport war ich zum Beispiel letzte Woche in Mallorca, um mit einem potenziellen Sponsor zu reden», so Nedbei.
Momentan wird er von einem Schaumwein-Hersteller gesponsert. Ohne das Sponsoring ginge es nicht, denn nur die wenigsten können vom Boxen leben. Nedbei arbeitet zudem noch als Personal-Trainer, Bodyguard und in einem Inkassobetrieb.
Der Sport schlägt sich momentan tatsächlich nur in Ausgaben nieder: Für jeden Kampf muss Nedbei zahlen. Für den Wettkampf dieses Wochenende habe er beispielsweise 3000 Euro hingeblättert. «Wenn man gewinnt, kriegt man aber kein Geld, sondern wird einfach höher in der Rangliste platziert», so Nedbei. Er ist momentan die Nummer 413 von 1153 registrierten Profiboxern weltweit.
Dass die Konkurrenz gross ist, ist Nedbei längst bekannt. Hartes Training ist seine einzige Chance: «Es gibt keine Ausrede, ich trainiere einfach jeden Tag.» Motivation habe er genug. Dabei setzt Nedbei alles auf eine Karte: Einen Plan B gebe es nicht. Vom Boxen hänge sein Leben ab. Seit er boxe, sei auch seine Konzentration viel besser geworden. Das komme ihm im Berufsleben entgegen. «Ich boxe für mich», sagt er.
Im Ring kennt er keine Grenzen. Eine Runde dauert bei Profisportlern gerade einmal drei Minuten. Dennoch ist es genug Zeit, um zu zeigen, wie viel Kraft in den angespannten Muskeln steckt. Beim Schattenboxen im Training wirken Nedbeis Schläge verbissen und beinahe grotesk, doch steht er vor seinem Gegner, nimmt sein Gesicht einen umso entschlosseneren Zug an. «Das Wichtige an einem Boxer ist, dass er ein Kämpferherz und Fleiss hat», sagt sein Trainer Parvis Karimi. Nedbei bringe zum Fleiss auch noch Schnelligkeit mit. Das brachte ihn weiter.
Drei Kilo zum Wettkampfgewicht
Im Training lässt ihn Karimi noch einige Male hart zuschlagen. Zwei schwarze Pratzen federn die Schläge ab. Der Trainer hält diese im Sekundentakt hoch und Nedbei schlägt zu, bis der Piepston des Timers die Sequenz beendet. Nun hängt sich der Boxer in die Seile und lässt die blau bandagierten Hände baumeln.
Das Training wird in der Woche vor dem Wettkampf heruntergefahren. Noch eine Runde traktiert Nedbei den fixierten Boxsack, danach warten noch einige Sit-ups. In den kommenden Tagen wird vor allem die Technik und die Strategie im Kampf zum Thema werden.
«Zum Schluss der Woche wird es nur noch einige lockere Läufe geben», so Nedbei. Natürlich habe er auch den Gegner studiert und sich so gut wie möglich auf ihn eingestellt. Um das sogenannte Cruisergewicht von 90,7 Kilo zu erreichen, muss Nedbei in den nächsten vier Tagen noch drei Kilo purzeln lassen. «Nach ganz oben, das ist mein Ziel», so Nedbei.
Es geht um alles
An der Decke im Schlieremer Ringclub steht an einer Stelle der Spruch: «Nobody comes out alive here.» Natürlich ist das nicht wörtlich gemeint. Längst gehen die Kampfrichter dazwischen, wenn im Kampf die Regeln verletzt werden. Trotzdem scheint der Spruch etwas Wahres zu haben, denn gewinnen kann nur einer und verlieren ist für Nedbei keine Option.
Dieser Artikel wurde erstmals am 20. Oktober 2018 in der Limmattaler Zeitung veröffentlicht.